Humanisten begrüßen EuGH-Grundsatzurteil zum Arbeitsrecht
„Das Urteil ist eine Aufforderung für den deutschen Gesetzgeber, jetzt die bisher geltenden Ausnahmeregelungen für die Kirchen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einer Prüfung zu unterziehen“, so Bauer weiter.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte in einem Urteil (AZ: C-414-16) entschieden, dass das Erfordernis der Kirchenzugehörigkeit bei Arbeitsverhältnissen von den Gerichten überprüft werden können muss. Kirchenzugehörigkeit kann für eine Beschäftigung gemäß der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien nur verlangt werden, wenn diese für die „berufliche Tätigkeit oder (…) Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten“ ist und sie muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen. Der EuGH hatte auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Rechtsstreit zwischen der Klägerin Vera Egenberger und dem Evangelischen Werk für Diakonie geurteilt. Die konfessionsfreie Klägerin hatte nach erfolgloser Bewerbung bei den Diakoniewerk um eine befristete Referentenstelle zum Thema „Parallelberichterstattung zur UN-Anti-Rassismuskonvention“ Klage erhoben, weil sie sich aus Gründen der Religion benachteiligt sah. Das BAG hatte nach widersprüchlichen Urteilen der Vorinstanzen den EuGH mit der Vorlage um Auslegung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien gebeten. Die Klägerin will rund 10.000 Euro Entschädigung erstreiten.
Der EuGH sagte in seiner Entscheidung, dass „eine Abwägung zwischen dem Recht auf Autonomie der Kirchen (und der anderen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht) und dem Recht der Arbeitnehmer, insbesondere bei der Einstellung nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, vorzunehmen ist, um einen angemessenen Ausgleich herzustellen.“ Diese Abwägung müsse „von einer unabhängigen Stelle und letztlich von einem innerstaatlichen Gericht überprüft werden können“, so die Richter weiter. Zu prüfen sei für jede Stelle, „ob die Anforderung notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche (bzw. Organisation) aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist. Zudem muss die Anforderung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen, d. h., sie muss angemessen sein und darf nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgehen.“
HVD-Vorstand Michael Bauer sagte, dass der Humanistische Verband Bayern zwar dieselben Privilegien als Arbeitgeber habe, diese aber sehr viel liberaler handhabe als kirchliche Arbeitgeber. Der Verband habe als weltanschaulich profilierter Träger von u.a. zahlreichen Kinderbetreuungseinrichtungen in Bayern sowie einer Schule in Fürth regelmäßig Stellen auch für Kirchenmitglieder geöffnet, soweit dies nach Art der Beschäftigung zu rechtfertigen ist. „Es ist schön, dass unsere Haltung nun auch vom EuGH gestärkt wurde“, sagte Bauer.
Nun sei der Gesetzgeber in der Pflicht, Klarheit zu schaffen, so HVD-Vorstand Michael Bauer weiter. „Es ist ArbeitnehmerInnen nicht zumutbar, im Zweifelsfall jedes Mal eine gerichtliche Klärung herbeiführen zu müssen“, betonte Bauer, der auch Co-Autor des Berichts Gläserne Wände zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen ist. „Hier wäre das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durch den Bundestag hinreichend zu konkretisieren. Der HVD Bayern steht dem Bundestag als fachlich und praktisch versierter Ansprechpartner bereit. Unsere Forderung lautet: Beschränkung entsprechender Ausnahmen auf den im engsten Sinne verkündigungsnahen Bereich“, sagte Michael Bauer.